ISMPS

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES


MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN

Brasilien


kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &

musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien

Kontexte

Lateinamerika und Karibik – Europa - Afrika

e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland



Vorsitz: Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln


Brasilien erlangt besondere Bedeutung in den Kontexten, die am Institut für Studien der Musikkultur des Portugiesischen Sprachraumes (ISMPS) untersucht werden. Einerseits erklärt sich diese herausragende Stellung aus den Dimensionen, der Bedeutung und Potentialitäten Brasiliens in verschiedenster Hinsicht und als größtes Land der Welt, in dem portugiesisch gesprochen wird. Diese Stellung in der Kultur- und Musikforschung erklärt sich nicht zuletzt auch aus der weltweiten Verbreitung und Popularität vieler Erscheinungen der Kultur Brasiliens, vor allem auch der Musik, was dessen Bild maßgeblich prägt und ihm den Ruf eines musikalischen Landes verleiht. Andererseits ist die besondere Bedeutung Brasiliens für die Kultur- und Musikstudien, die sich auf Prozesse richten, darin begründet, dass das ISMPS auf eine Bewegung und auf ein Forschungszentrum zurückgeht, das in Brasilien entstanden ist.


Gegenstand der Studien: Musik in Kulturprozessen


Gegenstand der Untersuchungen des ISMPS zu Brasilien im Gesamtkontext von Lateinamerika und der Karibik sind Prozesse und die Funktion der Musik in ihnen. Es ist hervorzuheben, dass der Blick nicht prinzipiell auf Musikwerke, Musikgattungen oder Musiker, Sänger, Komponisten und Dirigenten gerichtet ist. Ziel ist es nicht, eine als brasilianisch zu charakterisierende, nationale Musik zu betrachten, sondern die Rolle der Musik bei Prozessen, die Veränderungen und Wandlungen bedingen, sowie deren Voraussetzungen und Folgen.


Die Orientierung der Studien auf Prozesshaftes richtet sich auf Bewegungen, auf Verläufe und dynamische Vorgänge, auf Wandlungen und Interaktionen in den verschiedenen räumlichen und zeitlichen Kontexten, Zusammenhängen und Netzwerken. Dazu zählen u.a. Vorgänge der Erschließung des Inneren, Eroberungen, Verchristlichungen durch die Kontakte oder christliche Formung durch Missionen, Besiedlungen, Kolonialisierungen, Fluchtbewegungen, Ein- und Auswanderung, Mobilitäten, Versetzungen und Übersiedlungen verschiedenster Art. Besondere Gegenstände der Analyse sind u.a. die komplexen Wechselbeziehungen, ihre Voraussetzungen und Folgen, die aus dem Einsatz von Afrikanern zur Sklavenarbeit in Brasilien resultierten. Der Blick richtet sich aber auch auf die Präsenz der Juden, Niederländer, Europäer anderer Länder, Asiaten oder von Menschen aus anderen Regionen Amerikas. Dadurch erlangen Migrationsstudien zu unterschiedlichen Zusammenhängen und Epochen eine besondere Bedeutung.


Die Aufmerksamkeit gilt zunächst und vor allem Kulturwandlungen, die durch Kontakte indigener Bevölkerung mit den Europäern seit dem 16. Jahrhundert eingetreten sind, sowie ihren Auswirkungen in Kulturprozessen, in die die ankommenden Europäer eingeschrieben waren. Es wird angestrebt, Entwicklungen auch aus der Warte dieser „ersten Nationen“ zu betrachten und die indigene Kultur in der Gegenwart zu würdigen und aufzuwerten.


DIe Aufmerksamkeit richtet sich zwar auf Prozesse und ihre Interaktionen und somit auf Vorgänge, der Zweck der Analysen ist allerdings letztlich systematischer Natur, nämlich die Untersuchung von Ordnungen des Welt- und Menschenbildes und dessen Mechanismen, die diese Prozesse in ihren Interaktionen bestimmen. Erwartet wird die Gewinnung von Einsichten in Kulturprägungen und -konditionierungen, die zu Handlungen in der Vergangenheit und deren Folgen geführt haben. Dieses Anliegen dient der Gewinnung neuer Sichtweisen und Zukunftsperspektiven.


Die Anerkennung der Relevanz Brasiliens für Kultur- und Musikstudien bedeutet keinesfalls, dass diese sich der Verklärungen von Vergangenheit und Gegenwart verschreiben. Sie betreffen auch schwerwiegende Vorgänge, die zur Zerstörungen der Natur bei Erschließungen, Besiedlungen und Kolonialisierungen, zur Vernichtung indigener Kulturen, auch im Namen der Religion, zu verbrecherischen Taten gegenüber den indigenen Völkern und den Afrikanern und zu anderen Fehlentwicklungen und somit zu den tragischen sozialen, humanitären und ökologischen Missständen der Gegenwart geführt haben.


Bedeutung für Kultur- und Musikstudien


Unter verschiedenen Aspekten spielte die Musik eine wichtige Rolle bei den Kulturprozessen, die mit der Entdeckung des Landes durch die Portugiesen einsetzten. Abenteurer und Eroberer, die ins Landesinnere vordrangen, nahmen Musikinstrumente mit, Musik war für Kult und Feste im Leben der Siedler unentbehrlich, durch Musik wurden die Indios von den Missionaren angezogen, verführt, assimiliert und kulturell entwurzelt, durch Militärmusik wurden Soldaten zu Schlachten und Kriegen angespornt, durch Hymnen Revolutionen und Nationalismus angefacht und besungen, durch Mitwirkung in Chören wurden die Menschen zu Zeiten autoritärer Staatsformen wie durch die orpheonische Bewegung der 1930er und 1940er Jahren erzogen, durch Musik wurden chauvinistische Gefühle und Selbstpreisungen gefördert, was das Bewusstsein für die Zerstörung von Natur und für die Ungerechtigkeiten trübte.


Diese und andere ethisch bedenkliche Prozesse, die spontan oder geleitet erfolgten, müssen auch Gegenstand von Analysen von Kultur- und Musikstudien sein. Die Rolle und Funktion der Musik ist in diesem Sinne kritisch zu betrachten, denn sie bewegt Affekte, schafft und trägt emotionale und psychische Zustände, verführt, erobert, betäubt und kann dadurch den Verstand rauben.


Ein besonderes Anliegen liegt darin, progressive Tendenzen und Entwicklungen des Denkens und des Kulturlebens aufmerksam zu beachten. Das Interesse richtet sich auf Strömungen des Denkens, die Klärungen und Aufklärungen versprechen, so auf die Rezeption und Weiterwirkung des Humanismus, des Illuminismus, des wissenschaftlichen Weltbildes, auf Bestrebungen nach Freiheit und Gerechtigkeit, nach Verantwortung und Ethik, nach Menschen- und Tierrechten sowie nach Erhaltung der Natur. Zugleich müssen sich aber die Studien – wenn auch kritisch – mit reaktionären, eingrenzenden und trennenden Tendenzen und Entwicklungen beschäftigen, da in Geschichte und Gegenwart Obskurantismus, religiöser Fundamentalismus in all seinen Erscheinungsformen, überzogenes Nationalgefühl, Menschenverachtung, Diskriminierungen sowie Verbrechen gegenüber Tieren und der Umwelt bestehen.


Entwicklung der Studien


Das ISMPS fügt sich in eine jahrzehntelange Entwicklung von Studien, Überlegungen und Debatten ein, die seiner Eintragung in Deutschland 1985 vorausgingen. Es setzt eine Orientierung des Denkens fort, die in São Paulo in den 1960er Jahren entstand. Wie weltweit, so entfachten sich auch in Brasilien Bestrebungen zum Neuen durch die Überwindung starrer Strukturen und Denkweisen. Sowohl im Bereich der Volkskunde als auch in der Musikgeschichte wurden die vielfältigen Probleme erkannt, die aus der von nationalistischen Anschauungen geprägten Literatur und Denktradition entstanden waren.


Die Jahrhunderte, die der nationalistischen Phase der Musikästhetik vorausgingen, wurden dabei disqualifiziert, die zeitgenössischen Tendenzen des Musikschaffens als nicht-national kritisiert. In einer Zeit wachsender Bedeutung der Medien richtete sich die Aufmerksamkeit auf die theoretischen Ansätze der Informations- und Kommunikationstheorie. Die damit einhergehende wachsende Bedeutung der Popularmusik ließ die Notwendigkeit offenkundig werden, sie in den Kulturstudien stärker zu beachten.


Eine Unterscheidung von Fächerbereichen nach Sphären der Kunst- und Volksmusik sollte durch interdisziplinäre Zusammenarbeit überwunden werden. Der Blick sollte auf die Durchlässigkeit von Trennungen und Abgrenzungen, auf Interaktionen, Veränderungen und neue Entstehungen gerichtet werden. Damit stellten sich auch kulturpolitische Fragen, die die vom Staat und von nicht-staatlichen Organisationen durchgeführten Programme zu Kulturdiffusion und Volksbildung betrafen.


Die Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien konnte auf die Mitwirkung von Institutionen zählen, die sich aktuellen, internationalen Tendenzen öffneten, wie die Philosophische Fakultät und die Fakultät für Architektur der Universität São Paulo, das Museum zeitgenössischer Kunst, die Brasilianische Gesellschaft für zeitgenössische Musik, das Musikseminar Bahias und die Brasilianische Gesellschaft für Volkskunde mit ihrem Museum für Volskünste und -techniken São Paulos.


1968 wurde die Gesellschaft Nova Difusão für eine Orientierung nach Prozessen in Theorie und Praxis als Träger eines Forschungszentrum für Musikologie nach diesem kulturwissenschaftlichen Ansatz gegründet. Die Bestrebung nach Überwindung von Kultursphären und sozialen Trennungen bestimmte die Durchführung von Forschungen in allen Bevölkerungsgruppen der Metropole, in Stadtvierteln und in kleinen Städten sowie von Netzwerken von Musikern und Kulturschaffenden in den urbanen und metropolitanen Kontexten. Dieses Anliegen nach Überwindung von Trennungen und Grenzen führte auch zu einer stärkeren Berücksichtigung internationaler Tendenzen und Kooperation mit den anderen lateinamerikanischen Ländern.


Zugleich wurde dieser Ansatz in der Praxis erprobt. Aus den Experimenten in verschiedenen Kontexten entstanden neue Sichtweisen und Impulse. Von besonderer Bedeutung war das 1969 vom Kulturamt São Paulos unterstützte Barock-Festival, in dem Auffassungen über Kunst und Musik der Kolonialzeit zugunsten einer Sicht des Kolonialismus als Prozess hinterfragt wurden. 1970 wurde in einem großangelegen Herbstfestival in Anlehnung und zugleich kulturwissenschaftlicher Umdeutung des Warschauer Herbstfestivals ein weites Spektrum zukunftsgerichteter Initiativen zur Erneuerung des Musiklebens durch die Überwindung der Trennungen zwischen sozialer und künstlerischer Sphäre in der Metropole vorgestellt.


Diese erarbeiteten Ansätze wurden auf Hochschulebene in dem Fachbereichen Ethnomusikologie und Ästhetik, Musikgeschichte sowie Aufführungspraxis der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo ab 1971/72 fortgesetzt. Die Aufmerksamkeit in der Ethnomusikologie war nicht nur auf die transkulturellen Prozesse gerichtet, die vor allem in metropolitanen Kontexten mit ihren verschiedenen Migrantengruppen zu untersuchen waren, sondern auch auf die Kulturveränderungen indigener Gesellschaften, die durch die Erschließung bisher kaum erreichter Gebiete durch den Bau von Straßen entfacht wurden.


Fragen der Akkulturation, die seit Jahren Soziologen beschäftigten, standen im Vordergrund der Studien. Beobachtungen und Studien der Kulturveränderungen wurden u.a. in den Gebieten der Transamazonica, in Mato Grosso und Rondônia sowie an der Küstenstraße, die Rio de Janeiro mit Bahia verband, durchgeführt. Im Anschluss erfolgte eine Reise nach Südbrasilien, Uruguay und Argentinien. Die Zusammenarbeit mit Musikerpersönlichkeiten aus Paraguay, mit dem Interamerikanischen Institut für Musikwissenschaft Montevideos sowie mit Institutionen Chiles und Venezuelas wurde intensiviert. Studienprojekte wurden in mehreren Kontexten durchgeführt und fanden in Referaten, Vorträgen und akademischen Abschlussarbeiten ihren Niederschlag. Besprechungen wurden in mehreren Universitäten und Studienzentren abgehalten. 1973/74 fand das erste religionswissenschaftlich orientierte Kolloquium zu Fragen von Kultformen wie Umbanda und Candomblé statt. Zugleich wurden Konferenzen abgehalten, die auf internationaler Ebene die weitere Entwicklung der erarbeiteten Ansätze einer kulturwissenschaftlich orientierten Musikforschung und einer musikwissenschaftlich geleiteten Kulturforschung vorantrieben.


Internationale Zusammenarbeit


1974 wurde entsprechend dem bei den Konferenzen in Brasilien und Portugal zum Ausdruck gebrachten Anliegen ein

Arbeitskreis in Lüneburg gebildet, der ab 1975 von der Universität Köln aus wirkte. Köln wurde deshalb ausgewählt, da die Kölner Universität schon seit Jahrzehnten ein Zentrum portugiesischer und luso-brasilianischer Studien war. Außer Lusitanisten wirkten in der Arbeitsgruppe Musikwissenschaftler und Musikethnologen mit, die ein besonderes Interesse an der Kultur und Musik der iberischen Halbinsel und Lateinamerikas hatten. In der musikethnologischen Sektion des musikwissenschaftlichen Instituts war ein Projekt zur Musikgeschichte Lateinamerikas des 19. Jahrhunderts in Entwicklung.


Nach den 1981 erfolgten Besprechungen an der Universidade Nova in Lissabon und Gründung der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft (SBM) in São Paulo wurde in Leichlingen die Reihe eines multilaterales Musikforums mit der ersten Musikwoche für Studien deutsch-brasilianischer Musikbeziehungen unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft und Teilnahme der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft eröffnet. Leitgedanke des Forums war die Werteorientierung der Kultur- und Musikstudien im Sinne der Verwirklichung der Menschenrechte unter Beachtung der Menschenpflichten.


Vertreter des Arbeitskreises und der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft nahmen an dem Symposium zu den reziproken Musikeinflüssen zwischen Europa und Lateinamerika teil, das von den Europäischen Gemeinschaften und dem Königlichen Konservatorium Brüssels organisiert wurde. Dabei wurde in Vorträgen die Notwendigkeit einer kulturanthropologischen Orientierung der Musikorschung durch die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die einem System des Welt- und Menschenbildes innewohnenden Auffassungen hervorgehoben. Darauf folgten Besprechungen am Zentrum fundamentaler Anthropologie in der ehemaligen Abtei Royaumont 1984/85, bei denen die Einrichtung eines internationalen Forschungsinstituts zum Anlass des Europäischen Jahres der Musik erörtert wurde. Dieses Instituts sollte eng mit der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft und der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde zusammenarbeiten.


1985 wurde das ISMPS in der Villa Wuppermann in der Stadt Leichlingen in einer Feier gegründet, bei der die Notwendigkeit hervorhoben wurde, im Europäischen Jahr der Musik an die Wechselbeziehungen zwischen Europa und Brasilien zu erinnern. Die vielen europäischen Musiker, die in Brasilien wirkten, sowie die in Europa tätigen brasilianischen Musiker sollten nicht vergessen werden. Vor allem sollten das europäisch geprägte Musikleben und die Tendenzen des Musikschaffens in Brasilien nicht unbeachtet bleiben. Dafür waren aber Sichtweisen und eine Orientierung der Forschung notwendig, die auf die Einschreibung Brasiliens in gesamtamerikanische, allen voran lateinamerikanische und karibische Kontexte achten.


Erinnert wurde an die Bedeutung der Präsenz und des Wirkens von Sigsmund von Neukomm (1778-1858) in Brasilien im Gesantkontext der europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts. In einem Konzert mit Werken des in der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland verfemten Komponisten Alexandre Levy (1864-1892) wurde an den jüdischen Beitrag zum Musikleben und -schaffen in Brasilien erinnert. Zugleich wurden mit den Vorbereitungen zu bevorstehenden Gedenkjahren von Antonio Carlos Gomes (1836-1896) 1986 und Heitor Villa-Lobos (1887-1959) 1987 begonnen. Die Debatten und Studien wurden in Zusammenarbeit mit Experten des Projekts Music in Life of Man des Internationalen Musikrates/UNESCO durchgeführt. Ein regionales Treffen für Lateinamerika und die Karibik dieses Projektes wurde 1987 zusammen mit dem I. Brasilianischen Kongress für Musikwissenschaft realisiert. Als dringliche Aufgabe der Forschung sollte in diesem Kongress ein möglichst breiter Überblick über den Stand der Forschung und der Tendenzen des Denkens geschaffen werden. In einem zweiten Kongress, der 1992 stattfand, sollte dann der Blick auf Grundlagenfragen gerichtet werden.


1974/75 | Quellenstudien


Hauptaufgabe des 1974 gebildeten, international zusammengesetzten Arbeitskreises war die Erhebung und Durchsicht der Quellen in Bibliotheken und Archiven. Dadurch sollten Grundlagen zur Entwicklung der prozessorientierten Kultur- und Musikstudien im umfassenden Rahmen gelegt werden. Die Arbeiten konnten sich stützen auf die in Brasilien zuvor vorgenommenen Untersuchungen in offiziellen und privaten Sammlungen mehrerer Städte. Es wurden Bibliotheken in verschiedenen Städten Deutschlands sowie u.a. in Portugal, England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Italien besucht. Dabei konnten auch handschriftliche Notenmaterialien aufgedeckt werden, die Anlass zu Besprechungen und Aufführungen in den folgenden Jahren gaben.


Bei den Quellenstudien wurden bis dahin in der musikwissenschaftlichen und ethnologischen Forschung wenig beachtete Reiseberichte, populärwissenschaftliche Bücher und andere Druckmaterialien durchgesehen. Parallel dazu wurden Studien von euro-brasilianischen Beziehungen und Netzwerken durchgeführt. Sie wurden mit Befragungen und Berücksichtigung der Erinnerungen von Dozenten, Schülern, Musikern und anderen Mitbeteiligten an diesen Netzwerken begleitet. Im Rahmen von Programmen der Rheinischen Musikschule/Musikkonservatorium der Stadt Köln wurden zahlreiche Gestalten der brasilianischen Musikgeschichte unter dem Aspekt deutsch-brasilianischer Wechselbeziehungen studiert.


In engem Zusammenhang mit den Quellenstudien entwickelte sich das Interesse für die Rezeptionsforschung. In Besprechungen mit Carl Dahlhaus (1928-1989) in Kassel 1976 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, bei den Rezeptionsstudien hinsichtlich des 19. Jahrhunderts Brasilien zu berücksichtigen. Bei der 100-Jahr-Feier des Bayreuther Festspielhauses wurden die Beziehung Brasiliens zu Wagner in Zusammenhang mit der Gestalt von Pedro II. (1825-1891) sowie die Rezeption der Musik und der Auffassungen Wagners in Brasilien mit Musikwissenschaftlern, Dirigenten und Regisseuren besprochen.


1986 | Carlos Gomes-Jahr. Euro-mediterrane Studien


Das erste Studienprogramm zu Brasilien des 1985 gegründete ISMPS wurde A. Carlos Gomes (1836-1896) zum Anlass seines Gedenkjahres gewidmet. Wie kaum eine andere Persönlichkeit der Musikgeschichte eignet sich Carlos Gomes für Studien über die Präsenz Brasiliens im Musikleben Europas in einem Jahrhundert, das von der Intensivierung der internationalen Beziehungen geprägt war. Der Studienzyklus stützte sich auf eine Entwicklung des Denkens, die auf die 1960er Jahren zurückgeht und die 1976 bei den Kasseler Musiktagen unter dem Aspekt der Rezeptionsforschung sowie beim Bayreuther Festspiel fortentwickelt wurde. Es wurden Besprechungen und Studien in Brasilien, Italien und Malta durchgeführt. Ziel des Studienprogramms war die theoretische Erneuerung der Carlos Gomes-Forschung aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive. Die historischen Beziehungen der iberischen Halbinsel zu Neapel/beide Sizilien, die Bewegung zur Einigung Italiens sowie die italienische Auswanderung nach Brasilien sollten A. Carlos Gomes und sein Werk in den politischen, sozialen und kulturellen Kontext seiner Zeit stellen. Wenn auch das Musikschaffen von Carlos Gomes in der Gegenwart veraltert erscheinen mag, ist seine Gestalt unter verschiedenen Aspekten von herausragender Aktualität. Dies betrifft u.a. Fragen zu italo-brasilianischen Beziehungen, zu Aus- und Einwanderung, zur Projektion von Komponisten aus Lateinamerika in Europa sowie zu Integrations- und Identitätsfragen von Lateinamerikanern in Europa.


1987 | Villa Lobos-Jahr. Stand  und Tendenzen der Forschung


Bei der Gründung des ISMPS wurde das Anliegen der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft hervorgehoben, einen aktuellen Überblick über die Studien und die Tendenzen der Kultur- und Musikforschung als Voraussetzung für die Entwicklung der Arbeiten des Instituts anzustreben. Um einen Einblick in die Situation der Studien und die Fragestellungen zu gewinnen, wurden Institutionen in verschiedenen brasilianischen Bundesstaaten besucht. Die Besprechungen, die 1980/81 zur Gründung der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft führten, sollten beim I. Brasilianischen Kongresses für Musikwissenschaft fortgeführt werden. Dieser fand zum Anlass der Zentenarfeier von H. Villa-Lobos 1987 unter der Schirmherrschaft der Regierung des Staates São Paulo statt. Bei der Eröffnung des Kongresses wurde an die Geschichte der Musikstudien in Brasilien, an den ersten Musikkongress São Paulos unter der Leitung von Elias Alvares Lobo (1834-1901) sowie an die Sitzung zur Musikforschung beim Kongress Gesungener Nationalsprache von 1936 gedacht. Entsprechend der kulturwissenschaftlichen Orientierung des ISMPS wurden während des Kongresses auch Sitzungen im Museum der Universität São Paulo (Ipiranga-Museum) sowie im Auditorium João Ribeiro des Folklore-Museums São Paulo abgehalten.


1989 | Traditionen Brasiliens und Synkretismus


1989 wurde bei einer vom Zentrum für empirische Kulturforschung der Universität São Paulo angeregten und vom ISMPS organisierten internationalen Tagung in Deutschland eine Thematik in Europa wieder aufgenommen, die seit den 1960er Jahren die Entwicklung der Kultur- und Musikstudien geprägt hat. Eine Diskussion um die Verwirklichung des 2. Vatikanischen Konzils wurde in Musikkreisen bei Vorträgen und Kursen in Festivals und Tagungen geführt. Mehrere Komponisten widmeten sich der Volkskulturforschung, um eine kulturell adäquate Kirchenmusik zu schaffen. Kirchenmusiker und Theologen befassten sich mit Fragen der Akkulturation, z.B. bei Besprechungen und Kursen in Curitiba 1969. Die Diskussion konnte nicht ohne Einfluss auf die Kulturforschung bleiben. Es erhoben sich dabei grundsätzliche Fragen bezüglich Vorstellungen, aus tradierten Musiküberlieferungen und -praktiken Konstanten heraus zu analysieren, um sie im Musikschaffen zu verarbeiten. Dieses Verfahren bedeutete eine Dekontextualisierung, da die analysierten Elemente in Zusammenhänge eingeschrieben waren, die bereits mit religiösen Auffassungen verbunden waren.


Nach zehn Jahren sollte in Debatten die Problematik wieder aufgerollt werden, wobei die Aufmerksamkeit vor allem auf die Eruierung eines Systems der Welt- und Menschensicht, das den Traditionen zugrundeliegt, gerichtet werden sollte. Zur Mitwirkung eingeladen wurde die musikethnologische Sektion des Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien (Maria Laach). Die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Systemisches prägte auch die Diskussion von Kultformen, die als synkretistisch angesehen werden, wie u.a. die Umbanda. Bei der Tagung wurde die Thematik wieder aufgenommen, die fünfzehn Jahre zuvor im Fach Ethnomusikologie der Fakultät des Musikinstituts São Paulo in einer ersten religionswissenschaftlichen Kultur- und Musiktagung diskutiert wurde.


1991 | Mozart-Jahr. Klassik und Werteorientierung


Zum Anlass des Mozart-Jahres 1991 wurde ein Studienzyklus durchgeführt, in dem die Thematik der werteorientierten Forschung im Vordergrund stand. Die Studien knüpften an diejenigen einer von Sigismund v. Neukomm in Rio de Janeiro geschaffenen Messkomposition an, die im Auftrag der Erzherzögin Leopoldina ihrem Vater in Österreich gewidmet wurde. Das Werk war 1976 in Wien aufgefunden und anlässlich der Gründung des ISMPS in Köln aufgeführt worden. Am Mozarteum in Salzburg wurde an die Beziehung Brasiliens zu einer Denktradition erinnert, die auf die Klassik zurückgeht. Durch Martin Braunwieser (1901-1991) wurde der „Mozartgeist“ nach Brasilien übertragen, und werteorientierte Ideale prägten seine Studien in Bereich der vergleichenden Musikwissenschaft, des Musikschaffens und der Musikerziehung.


1992 | Grundlagen der Musikkultur Brasiliens


Zum Anlass der Entdeckung der Neuen Welt vor 500 Jahren wurde vom ISMPS in Zusammenarbeit mit der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft, der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde, Universitäten des In- und Auslandes und dazu eingeladenen Vertretern römischer Instanzen der II. Brasilianische Kongress für Musikwissenschaft in Rio de Janeiro mit dem Ziel durchgeführt, das Thema Grundlagen der Musikkultur zu diskutieren. Die Analyse der Bildersprache von Kult- und Festtraditionen des Jahreskreises, die von den Europäern in die Neue Welt eingeführt worden waren, ermöglicht das Erkennen eines Systems von Welt- und Menschenauffassungen sowie dessen Struktur und innewohnenden Mechanismen. Auch die Grundlagen der indigenen Musikkulturen müssen bei der Betrachtung der aus den Interaktionen entstandenen Kulturprozesse erforscht werden. Aus diesem Grund wurde beim Kongress ein Projekt zur Erfassung des Wissens über die indigenen Kulturen in Gang gesetzt, das vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland unterstützt wurde. Bis 2002 wurde in vielen Regionen Brasiliens durch Forschergruppen die Situation in indigenen Gesellschaften untersucht.


1998 | Bildersprache und Menschenbild


Die Überlegungen über das Menschenbild in den Kult- und Festtraditionen Lateinamerikas, die den Debatten in Brüssel und am Zentrum fundamentaler Anthropologie in Royaumont 1984/85 der Gründung des ISMPS vorausgingen, wurden 1998 bei einem internationalen Kolloquium wieder aufgenommen, das am Brasilianischen Institut für Musikwissenschaftliche Studien in Brasilien realisiert wurde. Ein internationaler Kreis von Kultur- und Musikforschern beschäftigte sich vor allem mit den Kult- und Festtraditionen des hl. Gundizalvus von Amarante in Brasilien und in Portugal, der als Vorbild des Gitarrenspielers gilt. Tanz und Musik bei tradierten Kultpraktiken dieses Heiligen waren erstmals 1981 im Rahmen der Gründung der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft von Volkskundlern und europäischen Musikethnologen diskutiert worden.


1997-2001 | Musikgeschichte in globalen Zusamenhängen


Brasilien wurde bei der Vorlesungsreihe „Musik in der Begegnung der Kulturen“ eingehend betrachtet, die von 1997 bis 2001 in Zusammenarbeit mit dem ISMPS an der Universität Köln abgehalten wurde. Ziel dieser Veranstaltung war es, einen Beitrag zur Entwicklung einer Musikgeschichte in globalen Zusammenhängen sowie einer kulturwissenschaftlich geleiteten Musikethnologie, die historische Prozesse achtet, zu leisten.


1997 | Akademie Brasil-Europa


1997 wurde in Köln das vom ISMPS getragene Studienzentrum der Akademie Brasil-Europa in Köln eröffnet. Unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft wurden die Arbeiten mit einem Vortrag über die Notwendigkeit der Grundlagenforschung und der Auseinandersetzung mit theoretischen Grundfragen für eine wissenschaftliche Kulturforschung Brasiliens eingeleitet. Das unmittelbare Ziel des Zentrums lag in der Vorbereitung von Veranstaltungen anlässlich des bevorstehenden Gedenkens an die Entdeckung Brasiliens vor 500 Jahren. Diese sollten über mehrere Jahre über den Jahrhundertwechsel in Deutschland und Brasilien stattfinden. Zu den vorbereitenden Kolloquien zählten Vorträge über die Rolle der Kammer- und Hausmusik im Kulturleben gesellschaftlicher Kreise und über das brasilianische Lied. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde auf die Erforschung indigener Kulturen gerichtet.


Die Seminare folgten der Auffassung, dass Kulturwissenschaft eng mit der Wissenschaftsforschung an sich (science of science) zu führen ist. Die Sichtweisen sowie die religiöse, weltanschauliche, politische oder ideologische Einstellung der Autoren wurden analysiert. Die Rezeption von Denkströmungen, Methoden und Ansichten der internationalen Kultur- und Musikforschung wurden besprochen. Wege der Weitervermittlung des Wissens, die Entstehung von Schulen und die Bildung von Netzwerken wurden analysiert


1999 | Musik und Visionen: Brasil-Europa 500 Jahre


Zum Anlass des Gedenkens an die Entdeckung Brasiliens vor 500 Jahren wurde zusammen mit der Deutschen Welle ein internationaler Kongress zum Thema Musik und Visionen ins Leben gerufen. Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft der Brasilianischen Botschaft und wurde unter Mitwirkung der Nationalen Kommission für die portugiesischen Entdeckungen sowie mehrerer Universitäten und Studienzentren Brasiliens und anderer Länder durchgeführt. Die Tagung sollte ein Triennium wissenschaftlicher Veranstaltungen eröffnen, das 2002 in Brasilien mit einem weiteren Kongress abgeschlossen wurde. Zu den vielen Aspekten des Themas gehörten die Visionen, die Prozesse in Gang setzen, vorantreiben und leiten. Die Untersuchung der Visionen in diesem Sinne betrifft u.a. diejenigen der Entdecker, Missionare und u.a. jener, die sich von verheißungsvollen Bildern und Zielen, von einem blühenden Land, von einem „Brasilien als Land der Zukunft“ leiten lassen. Sie werden – auch durch die Musik – in einen entsprechenden emotionalen Zustand versetzt, der nicht nur Positives bewirken, sondern auch Leid und Zerstörung hervorrufen kann. Die Analyse dieses Verhältnisses von Musik und Visionen stellt somit eine wichtige Aufgabe einer prozessorientierten Forschung dar.


2001 | Kultur- und Musikforschung im 21. Jahrhundert


Im Kolloquium Brasil 2001 wurden Entwicklungen im medialen Zeitalter in ihren Beziehungen zu einer auf historischen Quellen und empirischer Erforschung von Traditionen basierenden Kultur- und Musikwissenschaft erörtert. Die gegenwärtige Rolle der Medien im Kultur- und Musikleben sowie Diffusionsprozesse wurden ausgehend von der Geschichte des Rundfunks in Brasilien betrachtet. Die Geschichte der Tonaufnahmen indigener Kulturen Brasiliens, die neuen technischen Möglichkeiten der Dokumentation und der Aufbewahrung des kulturellen Musikerbes sowie der Einsatz neuer Medien bei Interaktionen mit indigenen Gruppen wurden bei einem Kolloquium zum Anlass von 25 Jahren des Bestehens des indigenistischen Missionsrates CIMI diskutiert.


2002 | Geschichte der Popularmusik Lateinamerikas


Von ihren Anfängen in den 1960er Jahren an waren die prozessorientierten Kultur- und Musikstudien, die Brasilien betreffen, vom Anliegen der Überwindung der nationalen und sprachlichen Grenzen getragen, die das Land von den anderen Ländern Lateinamerikas und der Karibik trennen. Eine Erneuerung der auf die 1930er Jahre zurückgehenden interamerikanischen Ausrichtung der Forschung, wie sie am Interamerikanisches Institut für Musikwisschaft Montevideos vertreten war, wurde angestrebt. Diese Entwicklung sollte bei einer Vorlesung, die in Zusammenarbeit mit dem ISMPS an der Universität Bonn 2003 gehalten wurde, besprochen werden. Die Popularmusik in Lateinamerika sollte in nationalen und in gesamtamerikanischen Zusammenhängen analysiert werden. Der Veranstaltungen gingen Besprechungen in Institutionen Lateinamerikas und der Karibik voraus. Sie sollten Studien aufgreifen, die beim Regionaltreffen für Lateinamerika und die Karibik des Projekts Music in Life of Man des Internationalen Musikrates/UNESCO 1987 vorgestellt und diskutiert wurden. Das Anliegen der Vertiefung der Beziehungen lateinamerikanischer Länder im Zeichen des Mercosul machte die Thematik besonders aktuell.


2002 | Perspektiven euro-brasilianischer Studien


Zum Abschluss des Trienniums wissenschaftlicher Arbeiten, das zum Anlass der Entdeckung Brasiliens vor 500 Jahren mit einem internationalen Kongress in der Deutschen Welle eröffnet wurde, fand 2002 ein Kongress mit Foren in den Staaten Rio Grande do Sul, São Paulo und Rio de Janeiro statt, der sich thematisch den euro-brasilianischen Studien zu Beginn des 3. Milleniums widmete. Der Kongress stand unter der Schirmherrschaft von Regierungsinstanzen und wurde in Kooperation mit deutschen und brasilianischen Universitäten und Fachgesellschaften durchgeführt. Projekte und Perspektiven in der Kultur- und Musikforschung, in Erziehung und Wissenschaft wurden thematisiert. Aktuelle Ansätze der Migrationsforschung, der postkolonialen Studien und der britischen Cultural Studies wurden in ihrer möglichen Anwendung auf brasilianische Verhältnisse diskutiert. Die Notwendigkeit der Aufwertung indigener Kulturen und der Partizipation von Indigenen an den Überlegungen und Studien wurde hervorgehoben. Der Kongress wurde mit einer Konferenz am Itamaraty abgeschlossen.


2004 | São Paulo 450 Jahre – Inter- und transkulturelle Studien


2004 wurde zum Anlass des Gedenkens an die Gründung von São Paulo vor 450 Jahren ein internationales Kolloquium zu inter- und transkulturellen Studien in São Paulo und Rio de Janeiro durchgeführt. Die Tagung wurde vom ISMPS in Kooperation mit der Stadt São Paulo sowie mit Instituten der Universitäten Bonn und Köln sowie Universitäten und Kulturinstitutionen Brasiliens durchgeführt. Das Zentrum für Brasilien-Studien der Universität Coimbra stellte den Stand der Forschung über die Voraussetzungen und Kulturbedingtheiten der Missionare dar, die bei der Gründung der Stadt maßgeblich mitwirkten. Die Sitzungen fanden im Kulturzentrum der Stadt São Paulo sowie in anderen Studienzentren und Museen statt. Konferenzen wurden an der Akademie für Literatur São Paulos sowie an der Brasilianischen Akademie für Musik in Rio de Janeiro mit Unterstützung der Stiftung der Nationalen Bibliothek abgehalten.


2004 | Tropicalismo in der Musikwissenschaft


Die Entwicklung der Überlegungen und Studien, die in den 1960er Jahren entstanden sind und vom ISMPS fortgeführt werden, fiel in eine Phase der Popularmusik Brasiliens, die unter anderen und vor allem durch den Tropicalismo geprägt wurde. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Tendenzen der Zeit ist nicht nur für die Popularmusikforschung notwendig. Die Popularmusik war in politische, kulturelle und soziale Prozesse eingebunden. Denken und Schaffen leitender Intellektueller und Musiker der Zeit und deren Weiterwirkungen wurden in einem Kolloquium 2004 an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS diskutiert. Dabei wurde u.a. auch an die Debatten erinnert, die im Rahmen der großangelegten Show Blow Up Anfang der 1970er Jahre in verschiedenen Städten Brasiliens stattfanden.


2008 | Musik in politischen Prozessen


2008 wurde in Zusammenarbeit mit dem ISMPS ein Hauptseminar an der Universität Köln zu den Beziehungen zwischen Musik und Politik in Lateinamerika und ihren Implikationen für die Forschung veranstaltet. Brasilien wurde in mehreren Sitzungen zum Gegenstand der Diskussionen. Die Zusammenhänge zwischen Musikleben und -schaffen und politischen Entwicklungen in verschiedenen Epochen und Kontexten wurden behandelt. Auf die politische Einstellung von Komponisten, Dirigenten und Kulturschaffenden im Allgemeinen wurde eingegangen. Besondere Berücksichtigung fand die Funktion der Musik bei Initiativen der Kulturdiffusion, der Volksbildung, der Schulerziehung, in der politischen Propaganda oder den ideologischen Bewegungen. Nationalistische Auffassungen in der Musikästhetik in ihren Konflikten mit zeitgenössischen Tendenzen des Musikschaffens wurden thematisiert.


Regionale Kultur- und Musikstudien in brasilianischen Staaten


Von ihren Anfängen und Ansätzen her sind die prozessorientierten Kultur- und Musikstudien, wie sie im ISMPS durchgeführt werden, grenzüberschreitend. Dennoch fokussieren sie bestimmte regionale Kontexte, in denen Analysen von Prozessen, ihren Interaktionen sowie Netzwerken unter verschiedenen Aspekten vorgenommen werden. Da diese Bewegung zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien in den 1960er Jahren in São Paulo entstanden ist, wurden zunächst Studien vorgenommen, die Städte, Stadtviertel, Vorstädte, suburbane und rurale Gebiete des Bundesstaats São Paulo betrafen. Sie führten grenzüberschreitend zu den benachbarten Bundesstaaten Rio de Janeiro, Minas Gerais und Paraná.


1969 wurden von Paraná aus Städte der Küste und des benachbarten Staates Santa Catarina untersucht. Damit wurden vor allem Kulturfragen in Migrationsgebieten in ihrem Verhältnis zu älteren Ortschaften aus der Kolonialzeit aufgeworfen. Nach Minas Gerais erfolgte 1969/70 eine Forschungs- und Kontaktreise, die das Weiterleben von Traditionen aus der Kolonialzeit, Barockforschung und Museologie in den Vordergrund der Debatte stellte und Grundlagen für eine Tagung zur Problematik der Periodisierung der Geschichte und des Kolonialismus als Prozess lieferte. 1971 wurden Besprechungen in den Hauptstädten mehrerer Staaten – Rio de Janeiro, Bahia, Pernambuco, Paraíba, Rio Grande do Norte, Minas Gerais, Paraná, Santa Catarina – durchgeführt. 1972 wurde eine Studien- und Kontaktreisen zum Nordosten Brasiliens von Vertretern der Gesellschaft Nova Difusão, der Universität São Paulo und der Brasilianischen Gesellschaft für Volkskunde unternommen. Sie sollte die Kulturwandlungen in neu erschlossenen Regionen der Küste von Espírito Santo und Bahia, die Entwicklungen in dem Einzugsgebiet von Salvador, in Sergipe, Alagoas und Pernambuco untersuchen. 1973 folgt eine Studien- und Kontaktreise in den Süden Brasiliens, die die Beobachtung der Kulturentwicklungen in Küstenregionen von Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul zum Ziel hatte.


Ein ausgedehntes Reiseprogramm erfolgte 1980, das der Vorbereitung zur Gründung der Brasilianischen Gesellschaft für Musikwissenschaft (SBM) diente. Es wurden Besprechungen und Studien in zahlreichen Bundesstaaten Brasiliens durchgeführt (u.a. Bahia, Alagoas, Sergipe, Pernambuco, Paraíba, Rio Grande do Norte, Ceará, Maranhão, Pará, Amazonas, Acre). Zu den umfangreichen Programmen wissenschaftlicher Unternehmungen in den verschiedenen Staaten Brasiliens zählten diejenigen zu Zentralbrasilien und dem Norden in den Jahren 1993 und 1994, als Besprechungen und Studien in Mato Grosso do Sul, Mato Grosso, Rondônia, Rio Branco, Amapá, Amazonas, Pará und Goiás stattfanden.



Materialien

(Auswahl)


Lira de Orfeu, Maracatú e Viola

Prioridade aos pobres e empobrecimento

Igreja, Pesquisa e Política Cultural

Música sacra do tempo colonial e a processualidade do Colonialismo

Música sacra do tempo imperial

Música sacra no Brasil

Música contemporânea de temática religiosa no Brasil

Música sacra no presente. Pontificado de João Paulo II

Missa comunitária segundo o Concílio

A música de órgão no Brasil no campo de tensões de reformas litúrgico-musicais

Importação, manutenção e construção de órgãos no Brasil

A prática polifônica a cappella

Musicólogos que não sabem música? Regentes musicólogos?

Sob o signo de Bach

Do cantar de tupinambás aos cantores da Lünebuger Heide

Improvisação ao órgão no diálogo com culturas extra-européias através da música

Pedro II nos festivais de Bayreuth de 1876

Atualizações e o Atual no confronto com a problemática wagneriana

Wagner e o Brasil na mediação de E. Ferreira França Filho (1828-1888)

Um Dia na Fortaleza de Coburg do "mestre-capela imperial brasileiro" Adolf Maersch

Gustav Freytag (1816-1895) e estudos euro-brasileiros

O Brasil e o projeto "Culturas Musicais da América Latina no século XIX" nos anos 70

Música sacra e Brasil/Europa em interações iniciadas em 1974

O Brasil no VII Congresso Internacional de Música Sacra em Bonn

O Carnaval no Brasil e o Carnaval de Colonia

Erzgebirge, Suíça Saxônica e Brasil nas tradições natalinas

A Medicina e as Ciências na Pomerânea em referenciações com o Brasil

Elisabeth Lesske (Krickeberg) de Liebenau (1861-1944)

As aquarelas do pintor e violinista Curt Agthe (1862-1943)

A elaboração aquarelística de fotografia de Tuyuka do Uaupés

"Alemanidade" em círculos de ilustração familiar na Alemanha do início do século XX

A cantora teuto-brasileira Hedy Iracema-Brügelmann (Hänsel) (1881-1941)

Regiões francesas e as dimensões globais de conhecimentos

O Amor Divino na restauração católica francesa do Romantismo e suas expressões no Brasil

Sur le pont d'Avignon em reflexões relativas à Educação

O Catolicismo de Lyon e suas consequências para a África, o Brasil e os estudos africanos

Maura Moreira: 50 anos de vida na Alemanha - O Canto da Terra

Henrique Travassos Siffert (Henrik Siffert)

Ucrânia e Brasil em perspectiva histórico-musical em contextos e relações globais

Presença de brasileiros em Paris: Questões de consciência histórica e identidade

Manuel de Araújo Porto-Alegre, Barão de Santo Ângelo (1806-1879) à luz de Alexander von Humboldt (1769-1859)

Domingos José Gonçalves de Magalhães, Visconde de Araguaia (1811 - 1882) sob o signo de Alphonse de Lamartine (1790-1869)

Henrique Alves de Mesquita (1830-1906) e o milieu da Closerie des Lilas

Carlos S. Cavalier Darbilly (1846-1918)

Carlos de Mesquita (1864-1953) sob o signo da Ars gallica e dos Concerts Populaires de Pasdeloup

F.-J. de Santa-Anna Nery (1848-1901), Baron De Hübner (1811-1892), Émile Levasseur (1828-1911), Roland de Bonaparte (1858-1924)

José Ferraz de Almeida Júnior (1850-1899)

Francisco Magalhães do Valle (1869-1906) e César Franck (1822-1890)

Elpídio de Brito Pereira (1872-1961)

Sylvio Deolindo Fróes (1865-1948), André Dulaurens (1873-1932) e Georges Barrère (1876-1944)

Magdalena Tagliaferro (1893 - 1986) e Reynaldo Hahn (1874-1974). A intérprete de espírito e as emoções de seu tempo

João de Souza Lima (1898-1982) e Alípio Dutra (1892-1964)

"Tietê Borba" no grupo do Musée de l'Homme e Paul Rivet (1876-1958)

Luís Heitor Correa de Azevedo (1905-1992), Paulo Carneiro (1901-1982)

Imperatriz Eugénie segundo Clara Tschudi (1856-1945) e a "raça latina"

A Primeira Missa nas Américas e a Primeira Missa no Brasil

Exposição "Toulouse-Lautrec e as estrêlas de Montmartre" no castelo de Cappenberg

Cultura e Ética sob a perspectiva dos Estudos Interculturais

Tensões franco-alemãs na identidade alsaciana

Contextos franco-alemães no Movimento Bach e suas extensões no Brasil

Crise da cultura e suas causas éticas

Judeus da Alsácia e imigrantes alsacianos na vida cultural do Brasil e da Argentina

Conferência da Paz de Versailles. Alsácia, relações franco-alemãs e o papel do Brasil: Epitácio Pessoa (1865-1942)

Conferência da Paz de Versailles. Alsácia, relações franco-alemãs e o papel do Brasil:

Epitácio Pessoa (1865-1942)http://www.revista.brasil-europa.eu/120/SchweitzerBrasil.html

"Ordem e Progresso" no Brasil e na esfera britânica

Relações entre o Homem e os outros seres viventes na Filosofia da Cultura de orientação ética

Heitor Villa-Lobos e o "Aufbruch" da música brasileira

Teoria da Evolução e a perspectiva teórico-cultural em contextos internacionais

O Brasil na exposição Voyages and Ideas that Shook the World

Darwin na Austrália e no Brasil

Presença da Amazônia em Adelaide: Vitoria Regia

Paralelos Austrália-Brasil na história do Evolucionismo

Austrália e Brasil em Darwin

Evolucionismo e Religião

Teuto-brasileiros na história da Teoria da Evolução e do Evolucionismo

Multidisciplinaridade nos estudos culturais euro-brasileiros e cooperação interdisciplinar

„Música antiga“ na América Latina. Da potencialidade renovadora e releitura interdisciplinar

1968 na História Contemporânea das Relações Interculturais

Eleanor Florence Dewey (1912-2008)

Da recepção de Bertrand Russell (1872-1970) no Brasil

O Norte na concepção geo- e logocêntrica do mundo

Momentos do desenvolvimento das reflexões Brasil/Noruega:

Música e Nacionalismo nas suas inserções românticas a partir de Alberto Nepomuceno (1864-1920)

O Cabo Norte como objeto de Estudos Culturais

O Troll na Noruega e o Curupira/Caipora no Brasil

"Recordações da Floresta do Brasil" de Willi Missfeldt (ca. 1935)

Hans Brøchner Misfeldt (1919-1995)

Marcelo Alves da Silva (Mamé) e o espírito do Zimbo Trio

A mulher nas relações sino-européias

Arte lírica na China e o ensino de canto de orientação italiana de portugueses em Hong Kong

Brasil e Pacífico Sul descobrindo-se e revelando-se

Os meninos guerreiros da Île de Pins e os Cabocolinhos do Brasil

Musikwissenschaft, Kulturgeschichte und Didaktik identifikatorischer Formungsprozesse

Grußadresse an den Kongress Euro-Brasilianischer Studien 2002 – Dom Duarte de Bragança

Congresso Internacional de Estudos Euro-Brasileiros 2002

Morte e ressurreição em danças de combates em Fiji e o Caiapó do Brasil

Romênia e Brasil: Do patrimônio cultural material e imaterial

Delta do Danúbio e o Delta do Amazonas

A cristianização da terra do Mar Negro

Imagens da crueldade e do beber sangue em povos associados à barbárie no mundo antigo

Os "cordões" nas tradições brasileiras

São João Batista na Deesis dos painéis das igrejas do Moldau

O cerco de Constantinopla no ano de 626 nas igrejas da Bucovina

Minorias e Educação em situações de pluralidade étnica e cultural

A Academia Română e a diplomacia cultural nas relações entre a Romênia, a França e o Brasil

Sobre a orientação teórico-cultural na consideração da arquitetura em reflexões patrimoniais – Romênia e Brasil

Boêmia e Brasil: entrelaçamentos culturais


Auseinandersetzung mit dem Barock als Erfordernis für Wissenschaft und Praxis

Heitor Villa-Lobos e a pesquisa da música sacra

Um Requiem para Villa-Lobos

Albert Schweitzer und Brasilien

Heitor Villa-Lobos e o estudo das relações culturais Brasil-Alemanha

Breve crônica do colóquio „Brasil 2000"

Comemorações dos 500 anos do Brasil e o Ano Bach 2000

Heitor Villa-Lobos: Tentativa de aproximação músico-antropológica

Brasilianische Bachianas - Überlegungen zu Heitor Villa-Lobos

Congresso internacional comemorativo dos 500 anos do descobrimento do Brasil

Zum Gedächtnis: Professor Hermann Görgen (23. Dezember 1908 - 3. Mai 1994)

Setor cultural da Embaixada do Brasil em Bonn

Three decades of Gregorian Chant

Música e visões nas tradições religiosas populares do Brasil

Música e visões na vida musical no contexto das relações entre a Alemanha e o Brasil

Die Problematik der graphischen Darstellung indianischer Musik

Die Frage der Mehrstimmigkeit in der indigenen Musik Brasiliens

Os índios e nós: retratos recíprocos

Oralidade na Europa medieval e no sertão nordestino

Apuntes desde el punto de vista de los estudios hispanoamericanos

Sinn, Ziel und Zweck des Kongresses „Musik und Visionen“

Kongress Musik und Visionen: Grußwort Kulturminister Brasiliens

Der Sankt-Gonçalo-Tanz: Eine Einführung (1979)

Ciência da ciência e ciência transmitida pela tradição

História e Etnologia na consideração da contribuição indígena à cultura musical do Brasil

Influências indígenas na obra de Villa-Lobos

J. Baptista Siqueira e os elementos indígenas no folclore brasileiro

studo das culturas musicais indígenas: Questões metodológicas

Questões relativas à autoctonia nas culturas musicais indígenas da atualidade: Mbyá-Guarani

Estudo e prática do Canto Gregoriano no Brasil da atualidade

II° Congresso Brasileiro de Musicologia : Pressupostos e objetivos

Fundamentos da cultura musical no Brasil

Razão de um simpósio internacional de música sacra no âmbito do Congresso

Materiais para a História da Educação Musical no Mundo de Língua Portuguesa

Maxixe: questões pertinentes aos estudos teuto-brasileiros

K. Pahlen - Fascinação pela América do Sul na obra não-musicológica de um musicólogo: "América do Sul: Um Novo Mundo" (1949)

F. Moeschlin - Referências na obra suiça "Eu procuro terras no Sul do Brasil" (1936)

W. Müller - Carnaval em "A bela América do Sul" (1928)

A. Langer (trad.), J. Hanzelka e M. Zukmund, - Carnaval em "América entre o Paraná e La Plata" (1956)

H. Edelmann - Canto e propaganda anti-emigratória do período nazista (1942)

O. Gneist - "Minha experiências como emigrante no Centro e Sul do Brasil (1925)

P. Sinzig O.F.M. - Música nas "Lembranças de um franciscano renano no Brasil" (1922/25)

E. von Hesse-Wartegg - Referências na obra "Entre os Andes e o Amazonas" (1913)

E. Roselius - Diário de viagem do Czar Ferdinando da Bulgária no Brasil (1927/28)

A. Perl - Notícias de interesse musical no livro "Através das florestas da América do Sul" (1904)#

M. Begrich - Música na publicação comemorativa da comunidade evangélica de São Paulo (1933)

F. Donat. Música de colonos, caboclos, garimpeiros e índios nas "Aventuras de um alemão no Brasil"

H. von Hattorf. Impressões de um oficial prussiano no Rio Grande do Sul

G. Stutzer. Memórias de um pastor evangélico: "Na Alemanha e no Brasil"

H. Zöller - Vida cultural no início das colonias alemãs: "Os alemães na floresta brasílica"

J. Wappäus - "Handbuch der Geographie und Statistik Brasilien"

Subsídios para o estudo histórico-musical das relações teuto-luso-brasileiras: algumas fontes gerais pouco consideradas (1)

Atenas, Olímpia e Brasil

Salzburg, Mozarteum e Brasil

Martin Braunwieser e o "Espírito de Mozart" no Brasil

Do redescobrimento da Encíclica Annus qui de Benedictus XIV

Estilo clássico, música clássica, classicismo

Da Conceituação do Classicismo no Brasil I

Dados de interêsse musicológico em relatos de viagens: O viajante-artista Paul Marcoy no Amazonas (1848-1860)

Malta na esfera musical italiana e nos círculos italianos no Brasil

Il Guarany de A. C. Gomes em Malta e vida musical em La Valetta e em Tunis no século XIX

Fundamentos da cultura musical cristã no mundo extra-europeu: a área do antigo padroado português Debate: Ciências da cultura e imagem do Brasil

Trabalhos na Áustria e na Itália: Akademie Brasil-Europa

Brasil e comunidades portuguesas de imigrantes na Europa Central

Comemoração do dia da Independência do Brasil - Bonn

Mudança de paradigmas - Gnose na Península Ibérica e sincretismo no Brasil

Colóquio de museologia e patrimônio cultural - Museum für Volkskunde, Kommern

II° Simpósio internacional "Música sacra e cultura brasileira" em Maria Laach

I° Colóquio euro-brasileiro „Música nas relações culturais

60 anos de marco histórico renovador. Iniciativas pela memória da vida musical em centros teuto-brasileiros: Joinville